Stellungnahme des AK ASYL Gütersloh zur Asyldebatte
Wir, die Mitglieder des AK ASYL der Evangelischen Kirchengemeinde Gütersloh, verstehen uns als Fürsprecherinnen und Fürsprecher geflüchteter Menschen in unserer Stadt. Seit vielen Jahren unterstützen wir sie bei der Integration in ihre neue Heimat.
Nicht erst seit den beiden mutmaßlich dschihadistisch motivierten Mordanschlägen in Mannheim und Solingen erleben wir eine dramatische Verschärfung der Tonlage gegenüber Geflüchteten in unserem Land. Die Parteien der Mitte übertreffen sich mittlerweile mit täglich drastischer werdenden Vorschlägen, um die sogenannte illegale Migration nach Deutschland abzuwehren. Wobei klarzustellen wäre, dass Menschen, die aus ihrem Land fliehen wollen, in der Regel bei den deutschen Botschaften ihrer Länder kein Einreisevisum für die Bundesrepublik Deutschland bekommen. Erst damit wäre dann „legale“ Fluchtmigration möglich.
Der SPD – Kanzler kündigt „Abschiebungen im großen Stil“ an. Als Reaktion folgt bislang lediglich eine Resolution einiger Jusos – kein Aufschrei aus der Mitte der Partei. Weiß denn niemand mehr in der SPD, wie viele Genossen sich während der Nazi – Diktatur ins Exil retten mussten? Wie dringend sie auf die Möglichkeit zur Flucht und die Unterstützung im Ausland angewiesen waren?
Friedrich Merz verlangt Zurückweisungen an den Grenzen. In furchtbarer Geschichts-vergessenheit fordert der brandenburgische CDU – Innenminister nun gar die Abschaffung des Rechts auf Asyl. Und niemand fällt ihm in den Arm. Aus gutem Grund haben die „Mütter und Väter des Grundgesetzes“ das Recht auf politisches Asyl (Artikel 16a) in die Verfassung geschrieben. Ihnen war die Not der Menschen, die Deutschland nach dem 30.Januar 1933 verlassen mussten und nicht wussten, wohin, noch sehr präsent.
Grundrechte und europäisches Recht gehen über Bord, der politische Diskurs verschiebt sich nach rechts. Bislang Unsagbares wird sagbar. Die politische Mitte betreibt das Geschäft populistischer Parteien.
Was macht das nun mit geflüchteten Menschen? Sie werden in Angst und Schrecken versetzt! Migration soll jetzt die „Mutter aller Probleme“ sein? Sie, die Geflüchteten, sollen verantwortlich sein für langjährige Versäumnisse in Politik und Gesellschaft? Was ist mit den eigenen, mühsam erarbeiteten Integrationserfolgen? Ein Job, ein bestandener Sprachkurs, eine eigene Wohnung? Hatte man nach Jahren der Un-sicherheit endlich die Perspektive auf ein Leben in Sicherheit und Würde im neuen Land, stellen nun Hetze und Feindseligkeiten alles erneut in Frage.
Der langjährige Kontakt zu Menschen mit Fluchtgeschichte hat uns, die Mitglieder des AK ASYL, eines gelehrt: Niemand begibt sich ohne Not auf die Flucht. Niemand gibt alles auf: Familie, Freunde, Besitz, die eigene Sprache, wenn er/sie nicht an Leib und Leben bedroht ist.
Ein Blick zurück lehrt uns: Flucht ist kein Phänomen der Neuzeit. Flucht ist so alt wie die Menschheit. Zu allen Zeiten hat es Flucht und Vertreibung gegeben – die Bibel ist voll von Fluchtgeschichten. Die Bibel lehrt uns im Übrigen auch, wie Geflüchteten zu begegnen ist: “Einen Fremdling sollst du nicht bedrängen, denn ihr wisst um der Fremdlinge Herz, weil ihr auch Fremdlinge in Ägyptenland gewesen seid.“ (2.Mose, 22, 20)
Es muss jedem Menschen möglich sein, sein Leben zu retten und unerträglichen Zuständen zu entfliehen. Flucht ist kein Verbrechen! Und das muss auch so bleiben!
Wir, die Mitglieder des AK ASYL, halten es für dringend geboten, die völlig über-drehte Asyldebatte möglichst bald hinter sich zu lassen und zu einem vernünftigen, humanen Umgang mit dem Thema zurückzukehren. Wir begrüßen daher die Aussagen des Bielefelder Oberbürgermeisters Pit Clausen, dem zu viel von Abschreckung geredet wird und zu wenig davon, wie Zuwanderung sichergestellt werden kann. Er rät zu mehr Gelassenheit.
Unsere eigene Kommune zeigt ebenfalls, dass es auch anders geht: In Gütersloh stellen sich die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung mit Professionalität und Menschenfreundlichkeit der Herausforderung, mit einer erheblichen Zahl geflüchteter Menschen in der Stadt umzugehen. Selbst die beiden großen von der Bezirks-regierung betriebenen Notunterkünfte brachten sie nicht aus dem Konzept. So sorgte die Stadt Gütersloh z.B. dafür, dass die Betreuung durch das DRK in der Notunterkunft am Flughafen durch viele ehrenamtliche Angebote ergänzt werden konnte. In Zusammenarbeit mit der Flüchtlingsberatung der Diakonie, dem AK ASYL und etlichen anderen Unterstützern wurden Sprachunterricht, Kinderbetreuung und Sportkurse eingerichtet. Noch sind längst nicht alle Probleme gelöst, aber das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner wurde erträglicher. Sogar zwei Sommerfeste wurden gefeiert, ausdrücklich, um „die Integration zu fördern“ und die Geflüchteten „für kurze Zeit einmal ihre Sorgen vergessen zu lassen.“
Hier ist sie, die Besonnenheit, die uns allen gut täte! Das Gegenmittel zur hysterischen Debatte über Geflüchtete, die tatsächlich das Potenzial haben könnte, unsere Gesellschaft zu spalten.
Ganz konkret hier vor Ort wünschen wir, der Arbeitskreis ASYL, uns Toleranz und Respekt für alle Migrantinnen und Migranten. Der direkte Kontakt zu geflüchteten Menschen führt zu Perspektivwechseln und dazu, dass gelingende Integration erlebbar wird. Weitere aktive Unterstützende für die Integrationsarbeit mit Geflüchteten in unserer Stadt sind uns jederzeit herzlich willkommen!
Ulrike Poggenklaß
für den AK ASYL Gütersloh